4. Verhütung & Bekämpfung Ordnungswidrigkeiten
Aufgaben > Operativer Dienst Transportpolizei
4. Verhütung und Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten auf dem Gelände der Deutschen Reichsbahn (DR)
Im nachfolgenden Abschnitt werden insbesondere spezifische
Fragen, die sich für die Transportpolizei bei der Verhütung und
Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten ergeben, behandelt. All-
gemein verbindliche Grundsätze zur Durchsetzung des Ordnungs-
widrigkeitsrechts sind u. a. nachzulesen bei HARTWIG/PETZOLD,
Gesetzliche Bestimmungen zur Bekämpfung von Ordnungswidrig-
keiten, erläutert für die Deutsche Volkspolizei sowie bei SURKAU,
Grundwissen des Volkspolizisten, Das Ordnungswidrigkeitsrecht
und seine Anwendung in der Arbeit der Deutschen Volkspolizei,
Ministerium des Innern — Publikationsabteilung, Berlin 1977.
4.1. Die Bedeutung des sozialistischen
Ordnungswidrigkeitsrechts
Das sozialistische Ordnungswidrigkeitsrecht als ein wesentlicher
Bestandteil des einheitlichen sozialistischen Rechtssystems in der
DDR ist darauf gerichtet, den störungsfreien Ablauf der gesell-
schaftlichen Prozesse zu sichern.
Das politische Grundanliegen des sozialistischen Ordnungs-
widrigkeitsrechts läßt sich insbesondere unter drei Aspekten zu-
sammenfassen:
Erstens wird durch die Verhütung und Bekämpfung von Ord-
nungswidrigkeiten die Herausbildung der freiwilligen und be-
wußten Disziplin der Bürger gefördert. Den Bürgern werden,
bezogen auf die verschiedenen Bereiche des gesellschaftlichen
Lebens, ihre ordnungsrechtlichen Pflichten bewußt gemacht, und
Säumige werden zur Einhaltung dieser Pflichten veranlaßt.
Zweitens wird durch die Verhütung und Bekämpfung von
Ordnungswidrigkeiten Straftaten vorgebeugt und die sozialistische
Gesetzlichkeit gdestigt.
Drittens wird die Gemeinsamkeit aller staatlichen und gesell-
schaftlichen Kräfte bei der Verhütung und Bekämpfung von
Ordnungswidrigkeiten vertieft, insbesondere die Rolle und Ver-
antwortung der Volksvertretungen als oberste Machtorgane im
jeweiligen Territorium gestärkt und damit die sozialistische De-
mokratie gefestigt.59
Seine Durchsetzung ist demnach nicht nur Aufgabe der Volks-
polizei, sondern ein gesamtgesellschaftliches Anliegen.
Deshalb ist bei der Anwendung von Ordnungsstrafmaßnahmen
sowie bei der Einleitung von Maßnahmen zur Beseitigung von
Ursachen und Bedingungen stets zu beachten, daß auch anderen
Staats- und Wirtschaftsorganen gesetzlich fixierte Pflichten und
Befugnisse übertragen sind.
Für die Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten auf dem Gelände
der DR ist das insofern von besonderer Bedeutung, weil solche
Pflichten und Befugnisse in starkem Maße den Leitern der Dienst-
stellen der DR, aber auch bestimmten dazu ermächtigten Eisen-
bahnern übertragen wurden.
Konkreter Ausdruck hierfür ist z. B., daß gemäß § 7 Abs. 2 und 3
OWVO die Leiter der Dienststellen der DR im Rahmen ihrer
Zuständigkeit Ordnungsstrafverfahren eigenverantwortlich ein-
leiten und durchführen können sowie dazu ermächtigte Eisenbah-
ner berechtigt sind, Verwarnungen mit Ordnungsgeld auszuspre-
chen.
In der vorläufigen „Anweisung zur Durchführung von Ordnungs-
strafverfahren und zur Erteilung von Verwarnungen mit Ordnungs-
geld im Bereich der Deutschen Reichsbahn" macht der Minister für
Verkehrswesen die Leiter aller Ebenen der DR dafür verantwort-
lich, daß die Eisenbahner befähigt werden, ihre Aufgaben bei der
Durchsetzung des Gesetzes zur Bekämpfung von Ordnungswidrig-
keiten mit hoher Verantwortlichkeit zu erfüllen.59
Die wirksame Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten auf dem
Gelände der DR erfordert eine zielgerichtete Zusammenarbeit der
Transportpolizei mit den örtlichen Volksvertretungen, anderen
Staats- und Wirtschaftsorganen, Betrieben sowie insbesondere mit
den Dienststellen der DR.
Grundlagen für die Zusammenarbeit sind die §§ 5 und 6 VP-Ge-
setz, die §§ 19 und 20 OWG und die einschlägigen dienstlichen
Weisungen. Diese Zusammenarbeit kann nur auf der Basis
der konsequenten Wahrnehmung der eigenen Verantwortlichkeit
und der klaren Abgrenzung der Aufgaben der genannten Organe
und Einrichtungen wirkungsvoll gestaltet werden. Ziel der Zusam-
menarbeit muß sein, aktiv und zielgerichtet auf die konsequente
Wahrnehmung der Rechtspflichten zur ständigen Gewährleistung
der Ordnung und Sicherheit durch die Leiter von Staats- und
Wirtschaftsorganen, Betrieben, insbesondere von Dienststellen der
DR u. a. Einrichtungen, Einfluß zu nehmen sowie alle Werktätigen
zu hoher Disziplin, zur Einhaltung der Rechtsnormen und zur
Unduldsamkeit gegenüber Rechtsverletzungen zu erziehen.
Die Effektivität der Zusammenarbeit hängt in hohem Maße von
der Koordinierung der Arbeit aller staatlichen und gesellschaft-
lichen Kräfte ab, denn das Geschehen auf dem Eisenbahngelände
ist nicht losgelöst von der Entwicklung des Territoriums zu be-
trachten. Deshalb muß die Zusammenarbeit zielgerichtet, differen-
ziert und kontinuierlich erfolgen.
Im Rahmen ihrer Aufgabenstellung hat die Transportpolizei u. a.
den Staats- und Wirtschaftsorganen, den Leitern der Dienststellen
der DR und den gesellschaftlichen Kräften Informationen und
Hinweise zu geben, damit die Ursachen und begünstigenden
Bedingungen für das Entstehen von Ordnungswidrigkeiten erkannt
und beseitigt werden.
Bewährte Formen und Methoden der Zusammenarbeit mit den
staatlichen Organen, Betrieben, Einrichtungen und mit der DR sind:
— Übermittlung festgestellter Ursachen und begünstigender Fak-
toren durch Hinweise, Empfehlungen oder Forderungen;
— Mitteilung über Ordnungswidrigkeiten von Angehörigen des
jeweiligen Organs, Betriebs usw., um damit den Kollektiven die
Möglichkeit zu geben, den Erziehungsprozeß wahrzunehmen;
— Auswertung geeigneter Sachverhalte vor den staatlichen Leitern,
Funktionären, Kollektiven und gesellschaftlichen Organisatio-
nen der Betriebe und Institutionen;
— Unterstützung der Organe, Betriebe usw. in Form von Verträgen,
Schulungen, Darlegungen auf Versammlungen u. a. m. im Rah-
men der Zuständigkeit der Transportpolizei;
— Unterstützung der Eisenbahner bei der Wahrnehmung ihrer
Pflichten zur Gewährleistung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit
auf dem Eisenbahngelände.
4.2. Einige wesentliche Grundsätze
und Verfahrensweisen nach dem OWG
Das Ordnungswidrigkeitsrecht umfaßt das Gesetz vom 12. Januar
1968 zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten — OWG — (GB1. I
S. 110) und die in den verschiedenen Rechtsvorschriften enthaltenen
Ordnungswidrigkeitstatbestände sowie die daraus erwachsenden
Rechtspflichten.
Das OWG ist ein bedeutendes Gesetz auf dem Gebiet der
sozialistischen Rechtspflege; es enthält die Aufgaben und verbind-
lichen Grundsätze für die Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten
und legt die Verfahrensweise für die Anwendung der einschlägigen
gesetzlichen Bestimmungen unter Beachtung notwendiger Beson-
derheiten einheitlich fest
Im OWG sind keine Ordnungswidrigkeitstatbestände festgelegt.
Sie sind in anderen Rechtsvorschriften enthalten. Bei der Anwen-
dung des Ordnungswidrigkeitsrechts ist deshalb stets der enge
Zusammenhang, der zwischen dem OWG und den Ordnungswidrig-
keitstatbeständen besteht, zu beachten. So kann beispielsweise eine
Ordnungswidrigkeit nur an Hand eines Ordnungswidrigkeitstat-
bestands festgestellt werden.
Bei der Prüfung der Verantwortlichkeit und der Anwendung von
Ordnungsstrafmaßnahmen sind jedoch immer eine Reihe von
Grundsätzen des OWG zu beachten, die der Schutzpolizist und der
ABV (T) kennen müssen, wenn sie politisch richtig sowie differen-
ziert bei der Anwendung ordnungsstrafrechtlicher Bestimmungen
eine hohe erzieherische Wirksamkeit erzielen wollen.
Dabei handelt es sich z. B. um folgende Grundsätze und Bestim-
mungen des OWG:
— Die Arten möglicher Ordnungsstrafmaßnahmen
• Verweis,
• Ordnungsstrafe von 10,— bis zu 300,—M,
• Verwarnung mit Ordnungsgeld von 1,—, 3,—, 5,— oder 10,—M
(vgl. § 5 OWG);
— Weitere Arten von Ordnungsstrafmaßnahmen, die sowohl neben
den im § 5 OWG genannten als auch selbständig ausgesprochen
werden können, wenn dies in der jeweiligen gesetzlichen Bestim-
mung ausdrücklich festgelegt ist (vgl. §§ 6 und 15 Abs. 2 OWG).
Beispiel:
Ein Bürger zerstört und beschädigt die Einrichtungen in einem
Warteraum auf einem Bahnhof und beschmiert die frisch
vorgerichteten Wände.
Entsprechend dem Vorschlag des Transportpolizisten kann
neben einer angemessenen Ordnungsstrafe z. B. zusätzlich die
Ableistung einer festzulegenden Zeit gemeinnütziger Arbeit
vorgesehen werden, wenn dadurch eine nachhaltigere erziehe-
rische Wirkung erreicht werden kann (vgl. § 4 Abs. 2 OWVO in
Verb. mit § 6 Abs. 1 Ziff. 5 OWG).6°
— Die Schuldvoraussetzungen zur Ahndung einer Ordnungs-
widrigkeit (Vorsatz, Fahrlässigkeit) sowie die Verantwortlichkeit
für eine im Rauschzustand begangene Rechtsverletzung (vgl. § 9).
— Die Besonderheiten bei Jugendlichen hinsichtlich der Differen-
zierung anzuwendender Ordnungsstrafmaßnahmen (vgl. § 10).
Zum Beispiel bei Jugendlichen unter 16 Jahren dürfen nur die
Verwarnung mit Ordnungsgeld sowie Maßnahmen nach § 6 OWG
angewandt werden. Gegenüber Jugendlichen über 16 Jahre darf
die Ordnungsstrafe höchstens 300,—M betragen. An die Organe
der Jugendhilfe ist eine Information zu geben, wenn erkennbar
wird, daß die Verantwortung der Erziehungsberechtigten nicht
gesichert ist.
— Die Besonderheiten der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten
gegenüber Angehörigen der bewaffneten Organe (vgl. § 11). Die
Ahndung ist z.B. nur möglich durch Ausspruch von Verwar-
nungen mit Ordnungsgeld (ausgenommen Angehörige der DV?).
Über Ordnungsstrafmaßnahmen entscheidet der Kommandeur
oder der Leiter der Dienststelle.
— Die Festlegung einer Ordnungsstrafmaßnahme unter Beachtung
der Art und Schwere der Ordnungswidrigkeit, der Umstände
ihrer Begehung und der Person des Rechtsverletzers (vgl. § 13).
— Die Abhängigkeit der Höhe einer Ordnungsstrafe vom Ausmaß
der Störung, dem Grad der Schuld, von der Einstellung des
Bürgers zur begangenen Rechtsverletzung sowie seiner per-
sönlichen Verhältnisse (vgl. § 14 und § 6 Abs. 1).
— Bei angerichtetem Schaden ist stets auf die freiwillige Wieder-
gutmachung hinzuwirken (vgl. § 16).
-- Nach den Bestimmungen über die Verjährung ist die Ahndung
einer Ordnungswidrigkeit durch die DVP nur möglich, wenn seit
ihrer Begehung nicht mehr als 3 Monate vergangen sind (vgl.
§ 18).
— Im Ordnungsstrafverfahren ist es nicht zulässig, den Rechts-
verletzer zwangsweise vorzuführen und ihn zu durchsuchen (vgl.
§ 24).
— Die Ahndung einer Ordnungswidrigkeit im vereinfachten Ver-
fahren — Ausspruch einer Verwarnung mit Ordnungsgeld — ist
nur möglich, wenn der konkret verletzte Ordnungswidrigkeits-
tatbestand eine solche Maßnahme zuläßt (z. B. im § 2 Abs. 2, § 4
Abs. 3, § 7 Abs. 2 OWVO).
— Empfehlungen an staatliche Organe, Betriebe, Produktions-
genossenschaften und gesellschaftliche Organisationen sind eine
wesentliche Seite zur Beseitigung von Ursachen und Bedingun-
gen sowie zur Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit (vgl.
§ 20 Abs. 2).
— Bei Ordnungsstrafverfahren gilt das Prinzip, daß es dort und
durch das Organ durchzuführen ist, wo die größte gesellschaft-
liche und erzieherische Wirksamkeit gegenüber dem Rechts-
verletzer zu erwarten ist (vgl. § 21 Abs. 1 und 2).
So kann z. B. die Übergabe an eine Konfliktkommission der DR
dann zweckmäßig sein, wenn der Rechtsverletzer ein Eisen-
bahner ist und im Zusammenhang mit der Ordnungswidrigkeit
auch betriebliche Pflichten verletzt wurden (vgl. §§ 31 und 32).
Der Schutzpolizist bzw. ABV (T) kann hierzu ggf. ent-
sprechende Vorschläge unterbreiten.
— Vor der Einleitung von Ordnungsstrafmaßnahmen ist ggf. der
Verdacht des Vorliegens einet Straftat zu beachten (vgl. § 27).
Das setzt voraus, daß der Schutzpolizist Und der ABV (T) die
Bestimmungen des StGB kennen, nach denen Handlungen unter
Umständen als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden können.
Vgl. hierzu
§ 134 StGB — § 6 OWVO
§ 170 StGB — § 20 OWVO
§ 176 StGB — § 21/22 OWVO
§ 201 StGB — § 13 OWVO
§ 223 StGB — § 2 OWVO
§ 238 StGB — § 10 OWVO
Die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten ist bei strikter Beach-
tung dieser Grundsätze nur auf der Grundlage verletzter Rechts-
normen der OWVO oder anderer Ordnungswidrigkeitstatbestände
möglich.
Deshalb ist die Kenntnis der Tatbestände der OWVO u. a.
Rechtsvorschriften (z. B. VO zum Schutz der Kinder und Jugend-
lichen, Brandschutzgesetz, Giftgesetz), die der Schutzpolizist bzw.
ABV (T) zur Durchsetzung einer hohen öffentlichen Ordnung und
Sicherheit in seinem Verantwortungsbereich unmittelbar zur
Grundlage nehmen muß, eine weitere Voraussetzung für die richtige
Anwendung des Ordnungswidrigkeitsrechts.
4.3. Das Einschreiten gegen Ordnungswidrigkeiten
auf dem Gelände der DR
Die Erfüllung des Klassenauftrages der Deutschen Volkspolizei zur
allseitigen Stärkung und zum zuverlässigen Schutz der Arbeiter-
und-Bauern-Macht, die öffentliche Ordnung und Sicherheit jeder-
zeit zu gewährleisten und weiter zu erhöhen, schließt das ständige
und erzieherisch wirksame Einschreiten gegen Ordnungswidrig-
keiten ein.61
Stellen Volkspolizisten fest, daß Bürger Ordnungswidrigkeiten
begehen oder begangen haben, sind sie gemäß § 3 Abs. 1 VP-Gesetz
verpflichtet, sofort einzuschreiten.82
Zweck des Einschreitens:
— mögliche oder eingetretene Gefahren und Störungen der öffent-
lichen Ordnung und Sicherheit unverzüglich und konsequent zu
beseitigen;
— den Bürgern die ihnen obliegenden Rechtspflichten bewußt zu
machen und ihre Bereitschaft zu entwickeln, freiwillig die
Normen des gesellschaftlichen Zusammenlebens einzuhalten;
— das Rechtsbewußtsein der Bürger zu stärken mit dem Ziel, daß
sie immer aktiver ihren erzieherischen Einfluß zur Vorbeugung
von Rechtsverletzungen oder anderen Gefahren und Störungen
geltend machen;
— vorhandene negative Denk- und Verhaltensweisen zu überwin-
den bzw. deren Entstehen oder Verfestigen nicht zuzulassen;
— das Vertrauensverhältnis der Bürger zu ihrem Staat zu festigen,
die Übereinstimmung der gesellschaftlichen Erfordernisse und
persönlichen Interessen bewußt zu machen sowie insgesamt die
Entwicklung sozialistischer Persönlichkeiten zu fördern;
— die strikte Wahrnehmung der in den Rechtsvorschriften und
anderen Dokumenten festgelegten Pflichten durch alle staat-
lichen und wirtschaftsleitenden Organe sowie Organisationen
durchzusetzen und dabei ihre Gemeinsamkeit und Zusammen-
arbeit im Kampf gegen Ordnungswidrigkeiten zu vertiefen.
Allein die Tatsache, daß jeder, der eine Ordnungswidrigkeit
begeht, auch damit rechnen muß, daß sein pflichtwidriges Verhalten
nicht geduldet oder gleichgültig hingenommen wird und er dafür zur
Verantwortung gezogen werden kann, wirkt in hohem Maße
erzieherisch und vorbeugend. Umgekehrt kann ein inkonsequentes
Verhalten gegenüber Ordnungswidrigkeiten dazu führen, daß sich
negative Denk- und Verhaltensweisen festigen und bei den Rechts-
verletzern der Gedanke entsteht, daß sie sich den rechtlichen
Verhaltensanforderungen entziehen und verschließen dürfen. Da-
durch kann sich der Widerspruch des Betreffenden zu den Ver-
haltensanforderungen vertiefen, woraus im weiteren Straftaten
entstehen können.
Konsequenz und sofortiges Einschreiten gegen Ordnungswidrig-
keiten sind jedoch nicht mit der Anwendung von Ordnungsstraf-
maßnahmen gleichzusetzen. Vielmehr sind in der Praxis zum
überwiegenden Teil keine Ordnungsstrafmaßnahmen erforderlich,
weil die bewußte Disziplin und die freiwillige Einhaltung der
Rechtsnormen immer mehr zu einer festen Gewohnheit unserer
Bürger werden und weil sehr oft allein durch das Einschreiten,
verbunden mit einem Hinweis oder der Belehrung im Sinne des § 13
Abs. 4 OWG, schon der erzieherische Zweck erreicht wird.
Obwohl der Transportpolizist jedesmal unter anderen zeitlichen,
örtlichen und situationsbedingten Faktoren einschreitet, gibt es
doch generelle Verhaltensweisen, die in jedem Fall zu beachten sind.
Zunächst ist bei Ordnungswidrigkeiten einzuschätzen, ob die hier-
durch hervorgerufene Gefahr oder Störung andauert oder nicht.
Dauert sie an, besteht die erste Aufgabe des Transportpolizisten
darin, sie zu beseitigen.
Diese Forderung ist auf dem Gelände der DR besonders be-
deutsam. Entsprechend der Massenhaftigkeit, Schnelligkeit, Ener-
gie und Gefährlichkeit der im Eisenbahnverkehr ablaufenden
Prozesse können hier schon verhältnismäßig einfache Eingriffe von
außen oder geringe Pflichtverletzungen der Eisenbahner, Trans-
portbeteiligten, Reisenden usw. zur Beschädigung oder Vernichtung
des Transportguts, der Transportmittel und -anlagen sowie zur
Gefährdung oder Beeinträchtigung des Lebens oder der Gesundheit
einzelner oder einer Vielzahl von Menschen führen. Deshalb muß die
Beseitigung der Gefahren und Störungen immer im Vordergrund
stehen.
Der erzieherische Erfolg des Einschreitens wird in hohem Maße
vom persönlichen Auftreten und Verhalten des Transportpolizisten
und vom richtigen Umgang mit den Bürgern bestimmt. "3 In den
vielfältigen, oft recht komplizierten Situationen, in denen sich der
Transportpolizist beim Einschreiten gegen Ordnungswidrigkeiten
befindet, muß er meist sehr schnell, selbständig und verantwor-
tungsbewußt entscheiden, wie er sich im Einzelfall politisch richtig
und den Grundsätzen und Normen des sozialistischen Orclnungs-
widrigkeitsrechts entsprechend zu verhalten hat. Dabei kommt es
vor allem darauf an,
— in allen Situationen (besonders bei Menschenansammlungen)
Besonnenheit zu bewahren;
— konsequent, knapp und klar, aber für den Bürger verständlich
und überzeugend zu reagieren;
— keine unangebrachten Vorwürfe zu äußern und jede Erschei-
nung von Überheblichkeit zu vermeiden;
— die Bürger so anzusprechen, daß das Verhältnis Staat— Bürger
weiter gefestigt wird;
— Ordnungsstrafmaßnahmen dann anzuwenden, wenn die Vor-
aussetzungen dafür vorliegen, und zwar so, daß sie fördernd auf
das Bewußtsein des Rechtsverletzers und auf unsere sozialisti-
sche Entwicklung wirken.
Die Art und Weise des Einschreitens und die Entscheidungen
müssen bei der betreffenden Person das Verständnis hervorrufen,
daß die Maßnahmen des Transportpolizisten gerechtfertigt und
sowohl im gesellschaftlichen als auch in ihrem eigenen Interesse
notwendig sind. Deshalb wird das Einschreiten besonders dann
erzieherisch wirksam sein, wenn der helfende Charakter seiner
Maßnahmen überzeugend zum Ausdruck kommt und dem Bürger
dieses bewußt wird. Das bedingt ein höfliches, korrektes und
sachliches Auftreten, verbunden mit angemessener Eindringlich-
keit.
Ohne sich liberal zu verhalten, muß der Transportpolizist dennoch
alles vermeiden, um bei dem Bürger nicht den Eindruck einer
ungerechtfertigten Behandlung zu erwecken und damit eine spon-
tane Abwehrstellung hervorzurufen; wie z. B. schulmeisterliches
Verhalten, überspitzungen, Voreingenommenheit, uninteressiertes
Zuhören, Unsachlichkeit usw. Auf keinen Fall darf der Transport-
polizist den Bürger durch die Art seines Auftretens, durch Gesten
oder Mimik, durch Ironie oder Ungeduld sowie durch die Wahl und
den Ton seiner Worte irgendwie in seiner Würde verletzen oder vor
anderen Personen bloßstellen und dadurch unter Umständen
Konfliktsituationen heraufbeschwören, die zum eigentlichen Anl
und Ziel des Einschreitens in keinem Verhältnis stehen. Er muß stets
die gebotene Ruhe bewahren und dem Bürger, nachdem er ihm in
knappen Worten den Grund des Einschreitens mitgeteilt hat,
Gelegenheit zur sachlichen Rechtfertigung geben, ohne lange
Diskussionen zu führen. Dabei ist dem Bürger jedoch nicht nur zu
sagen, gegen welche Rechtsvorschrift er verstoßen hat, sondern vor
allem, weshalb sein Verhalten rechtspflichtswidrig war, welche
Gefahren oder Störungen auf dem Eisenbahngelände dadurch
hervorgerufen wurden oder hätten entstehen können, um das
Verständnis für das Einschreiten gegenüber dem Rechtsverletzer zu
erreichen. Bei Uneinsichtigen wird der Transportpolizist nur dann
Erfolg haben, wenn er selbst stets die Ruhe bewahrt und seine
Entscheidungen klug und überlegt trifft. Keinesfalls darf er sich
durch ablenkende Bemerkungen oder provokatorisches Auftreten
des Bürgers die Führung des Gesprächs und die Initiative des
Handelns nehmen lassen, jedoch muß er beleidigenden Äußerungen
sowie provokatorischen Ausfällen energisch und entschlossen
begegnen.
All das verlangt ein exaktes Beherrschen der Rechtsvorschriften
und einschlägigen dienstlichen Weisungen durch den Transport-
polizisten.
Beispiel des Einschreitens gegen Ordnungswidrigkeiten:
Der Transportpolizist trifft einen Bürger an, der die Bahnanlagen
unberechtigt betreten hat, um den Bahnkörper als Wegabkürzung
zu benutzen. Der Rechtsverletzer hat damit eine Ordnungswidrig-
keit nach § 78 B064 und der „Anweisung über das Betreten der
Bahnanlagen der Deutschen Reichsbahn durch Eisenbahner und
Betriebsfremde" vom 1. Dezember 1964 in Verbindung mit § 7
OWVO begangen. Nachdem der Rechtsverletzer zunächst auf-
gefordert wurde, die Bahnanlagen zu verlassen, stellt sich der
Transportpolizist dem Betreffenden mit Dienstgrad und Namen vor
und nennt dann den Grund des Einschreitens. Er erläutert dem
1-Bürger in kurzer Form den Inhalt der von ihm verletzten Rechts-
vorschrift und die daraus entstandenen bzw. möglichen Gefahren
und Störungen. Ist die Gefahr oder Störung beseitigt — falls eine
derartige hervorgerufen wurde —, ist an Hand des Sachverhalts zu
prüfen, ob ein Hinweis oder eine mündliche Belehrung gemäß § 13
Abs. 4 OWG zu erteilen, eine Ordnungsstrafmaßnahme im verein-
achten Verfahren auszusprechen oder eine Mitteilung über eine
Ordnungswidrigkeit (S 15) zu fertigen ist.
In jedem Falle ist dem Bürger gemäß den Forderungen des § 24
Abs. 1 OWG und den einschlägigen dienstlichen Weisungen Gelegen-
heit zu geben, zu der von ihm begangenen Ordnungswidrigkeit
Stellung zu nehmen.
Wird eine Ordnungsstrafmaßnahme im vereinfachten Verfahren
ausgesprochen, muß der Sachverhalt eindeutig, die Schuld des
Bürgers festgestellt und die Zulässigkeit der Maßnahme in der
verletzten Rechtsvorschrift vorgesehen sein. Der Transportpolizist
teilt dem Bürger mit, daß eine Verwarnung mit Ordnungsgeld
festgesetzt wird. Der Ausspruch der Verwarnung mit Ordnungsgeld
ist mit einer Belehrung des Rechtsverletzers zu verbinden. Lehnt es
der Betreffende ab, das Ordnungsgeld an Ort und Stelle zu bezahlen
oder ist er dazu nicht in der Lage, so ist ihm ein Termin zu nennen,
bis zu dem er das Ordnungsgeld bei einer näher zu bezeichnenden
Dienststelle der Transportpolizei bezahlen kann. Zugleich muß er
auf das Beschwerderecht hingewiesen werden.
Ist im Einzelfall die Ausfertigung einer Mitteilung über eine
Ordnungswidrigkeit (S 15) notwendig, fordert der Transportpolizist
den Bürger auf, sich mit dem Personalausweis oder mit einem
anderen zulässigen Dokument auszuweisen. Dabei hat er ihm den
Grund hierfür mitzuteilen. Sieht der Rechtsverletzer die schuldhaft
begangene Ordnungswidrigkeit in vollem Umfange ein und ist der
Sachverhalt eindeutig, kann die an Ort und Stelle abgegebene
Stellungnahme für das Ordnungsstrafverfahren verwendet werden.
Wird sie nicht abgegeben, ist darauf hinzuweisen, daß er im Rahmen
dieses Verfahrens die Möglichkeit hat, Stellung zunehmen. Auch die
Ausfertigung einer Mitteilung über eine Ordnungswidrigkeit (S 15)
ist mit einer Belehrung zu verbinden.
4.4. Zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten
auf dem Gelände der DR
Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß unser sozialistisches
Recht, so auch das Ordnungswidrigkeitsrecht, im Interesse unserer
Werktätigen und gemeinsam mit ihnen, durchzusetzen ist. Daraus
folgt u. a., daß das Schwergewicht auf die Verhütung von Ord-
nungswidrigkeiten zu legen ist und Ordnungsstrafmaßnahmen in
der Regel nur dann erfolgen sollten, wenn aufgrund der Art und
Schwere der Rechtsverletzung der erzieherische Erfolg durch
andere Maßnahmen, wie z. B. die Belehrung, nicht erreicht werden
kann.
Durch die Anwendung von Ordnungsstrafmaßnahmen soll der
Rechtsverletzer zur künftigen disziplinierten Wahrnehmung seiner
gesetzlichen Pflichten angehalten, auf ihn und andere Bürger
erzieherisch eingewirkt und weiteren Ordnungswidrigkeiten u. a.
Rechtsverletzungen vorgebeugt werden.
Unter Berücksichtigung der Art und Schwere der Ordnungs-
widrigkeit, der Umstände ihrer Begehung und der Person des
Rechtsverletzers, ist die Ordnungsstrafmaßnahme anzuwenden,
welche diesen Zweck am geeignetsten erfüllt (vgl. § 13 OWG).
Das erfordert vom Schutzpolizisten und ABV (T), in Wahrneh-
mung ihrer Befugnisse (vgl. § 8 Abs. 1 VP-Gesetz):
— Ordnungswidrigkeiten vorausschauend und zielgerichtet vor-
zubeugen,
— Ordnungsstrafmaßnahmen im vereinfachten Verfahren dif-
ferenziert anzuwenden bzw. Ordnungsstrafmaßnahmen im Ord-
nungsstrafverfahren vorzuschlagen.
Die Praxis zeigt, daß die überwiegende Mehrzahl eingeleiteter
Ahndungsmaßnahmen durch die Transportpolizei sich gegen
Bürger richtet, die Verstöße gegen die Eisenbahn-Bau- und Be-
triebsordnung (BO) in Verbindung mit § 7 begangen haben.
Auf die Anwendungsmöglichkeiten der BO in Verbindung mit
dem § 7 OWVO soll deshalb im weiteren neben einigen anderen
häufig anzuwendenden Rechtsnormen etwas näher eingegangen
werden.
4.4.1. Anliegen und Geltungsbereich des § 7 OWVO
Mit dem § 7 OWVO wurde eine spezielle Rechtsnorm geschaffen,
deren Anliegen darin besteht, die Ordnung und Sicherheit im
Eisenbahnverkehr zu gewährleisten.
Daraus folgt, daß nicht jede auf dem Gelände der DR begangene
Ordnungswidrigkeit eine Verletzung des § 7 OWVO darstellt. Ein
solches Herangehen würde dem eigentlichen Anliegen des § 7
OWVO nicht entsprechen. Eine ganze Reihe von Zuwiderhand-
lungen gegen ordnungsrechtliche Pflichten werden von anderen
Paragraphen der OWVO (wie z. B. § 2 Beschädigung öffentlicher
Bekanntmachungen, § 4 Störung des sozialistischen Zusammen-
lebens, § 6 Hausfriedensbruch in öffentlichen Gebäuden oder
Verkehrsmitteln, § 12 Automatenmißbrauch, § 14 Trunkenheit in
der Öffentlichkeit und § 15 Mißbrauch der Beschädigung von
Alarmanlagen oder von anderen Rechtsvorschriften (z. B. Brand-
schutzgesetz, StVO, VO über die Polizeistunde, Personalausweis-
verordnung usw.) erfaßt. Hier ist das Prinzip zu beachten, wonach
bei Verletzung mehrerer Bestimmungen des Ordnungswidrigkeits-
rechts durch ein und dieselbe Handlung in der Regel der spezieller
ausgestalteten Rechtsvorschrift gegenüber der allgemeineren der
Vorrang zu geben ist. Gleiches gilt auch, wenn zwischen den
verschiedenen Paragraphen innerhalb der OWVO zu entscheiden
ist, um den richtigen Ordnungswidrigkeitstatbestand zugrunde zu
legen.
Durch den § 15 OWVO werden z. B. öffentliche Anlagen, die der
Warnung, Meldung, Signalgebung oder Alarmauslösung dienen,
gegen Mißbrauch oder Beschädigung geschützt. Sofern es sich aber
um Anlagen der Deutschen Reichsbahn handelt, ist die ordnungs-
rechtliche Verantwortlichkeit nicht nach § 15 OWVO, sondern nach
§ 80 BO in Verbindung mit § 7 OWVO zu begründen, da diese als
Spezialbestimmung anzusehen sind (z. B. Beschädigung von Si-
gnalanlagen).
Wenn beispielsweise eine männliche Person die Türfüllung einer
Toilettentür eines Bahnhofs mutwillig eingetreten hat, um sich
gegenüber seinen anwesenden Freunden hervorzutun, liegt eine
Ordnungswidrigkeit gemäß § 4 Abs. 1 OWVO vor, vorausgesetzt,
daß keine strafrechtliche Verantwortlichkeit gegeben ist. Hier wäre
es nicht richtig, den § 80 BO in Verbindung mit § 7 OWVO zur
Begründung der ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit her-
anzuziehen.
Der § 7 OWVO wurde ausdrücklich mit „Sicherheit im Eisenbahn-
verkehr"überschrieben, womit einer unzulässigen Ausweitung des
Geltungsbereichs entgegengewirkt und deutlich gemacht werden
soll, daß stets ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der
Ordnungswidrigkeit und der Ordnung und Sicherheit im Eisen-
bahnverkehr gegeben sein muß. Vom § 7 OWVO werden deshalb nur
solche Ordnungswidrigkeiten erfaßt, die den ordnungsgemäßen,
reibungslosen und störungsfreien Ablauf des Eisenbahnverkehrs
gefährden oder beeinträchtigen können. Im Gegensatz zu den
anderen Paragraphen der OWVO enthält der § 7 OWVO keine
Ordnungswidrigkeitstatbestände und kann deshalb für sich allein
(als einzige und ausschließliche Rechtsgrundlage) nicht bei der
Ahndung von Ordnungswidrigkeiten angewandt werden.
Grundlage für eine ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit nach
§ 7 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 können nur schuldhafte Zuwiderhandlungen
gegen die zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im
Eisenbahnwesen erlassenen gesetzlichen Bestimmungen oder auf
ihrer Grundlage ergangenen Vorschriften der Eisenbahn oder
aufgrund dieser Bestimmungen oder Vorschriften getroffenen
dienstlichen Anordnungen sein. Derzeitig sind die Eisenbahn-Bau-
und Betriebsordnung (BO) (vgl. Abschnitt VI, §§ 77-82, siehe
Anlage 1) sowie die Eisenbahn-Verkehrsordnung (EVO) die einzigen
gesetzlichen Bestimmungen, die in Verbindung mit § 7 OWVO als
Grundlage für die Begründung einer ordnungsrechtlichen Ver-
antwortlichkeit herangezogen werden können (Anlage 21).
Dabei ist die BO zur Zeit die eindeutig wichtigere und am
häufigsten angewandte gesetzliche Bestimmung.
Deshalb einige Erläuterungen zu den §§ 78-81 der BO.
Betreten der Bahnanlagen gemäß § 78 BO
Das Betreten der Bahnanlagen ist Unbefugten gemäß § 78 BO
grundsätzlich untersagt. Unter dem Merkmal Betreten ist jeder
unberechtigte Zugang zum Bereich der Bahnanlagen zu verstehen
(Anlage 2).
Bahnanlagen im Sinne des § 78 BO sind alle dem Betrieb und
Verkehr dienenden (ortsfesten) Anlagen der freien Strecke, der
Bahnhöfe und der stationären Betriebe (RAW, BW, BWW usw.). Der
für den Publikumsverkehr zugelassene öffentliche Bereich der
Eisenbahn (Warteräume, Bahnsteige usw.) sowie die der Öffentlich-
keit dienenden Verkehrsmittel und anderen Fahrzeuge der DR
werden von § 78 BO nicht erfaßt.65
In diesem Zusammenhang ist auch die „Anweisung über das
Betreten der Bahnanlagen der DR durch Eisenbahner und Betriebs-
fremde"66 zu beachten, da sie die Bestimmungen des § 78 in bezug
auf die Berechtigung zum Betreten der Bahnanlagen ergänzt und
präzisiert.
Die Berechtigung zum Betreten von Bahnanlagen geht u. a. aus
Dienst- und Betriebsausweisen, Dienstaufträgen, Bescheinigungen
und anderen Berechtigungsnachweisen hervor.
Bei begründeter Notwendigkeit (Ausführung von Arbeiten) dür-
fen Betriebsfremde die Bahnanlagen betreten, sofern das aus einem
Sichtvermerk im Betriebsausweis (z. B. für MITROPA-Personal,
Postangestellte, Beschäftigte der Anschlußbahnen) oder aus einem
Dienstauftrag hervorgeht bzw. eine „Bescheinigung zum Betreten
der Bahnanlagen" (befristet) erteilt wurde. Keine besondere Ge-
nehmigung benötigen Personen, die in Ausübung staatlicher Funk-
tionen oder im Auftrag staatlicher Organe (z. B. Angehörige der
Sicherheits- und Untersuchungsorgane, des staatlichen Pflanzen-
schutzdienstes, des Veterinärhygienischen Verkehrsüberwa-
chungsdienstes) die Bahnanlagen betreten müssen.
Beschäftigte der Deutschen Reichsbahn dürfen die Bahnanlagen
nur innerhalb des im Dienstausweis ersichtlichen Geltungsbereichs
zur Durchführung der dienstlichen Aufgaben betreten. Die Uniform
allein berechtigt nicht zum Betreten der Bahnanlagen.
Zur Abwendung von Gefahren (z. B. Stellen eines Zuges wegen
Schienenbruchs) und bei außergewöhnlichen Anlässen (z. B. Erste
Hilfe bei Unfällen) bedarf es keiner ausdrücklichen Genehmigung
zum Betreten der Bahnanlagen. In Ausnahmefällen (z. B. Be-
triebshalt außerhalb der Bahnhöfe) kann das Zugpersonal unter
Beachtung der notwendigen Sicherheitsvorkehrungen das Betreten
der Bahnanlagen gestatten (Aussteigen).
Zur Begründung des unbefugten Betretens ist es nicht erforder-
lich, daß die Bahnanlagen umzäunt oder Zugänge verschlossen sind.
Es muß jedoch den Umständen nach bzw. durch Hinweisschilder
oder anderweitig erkennbar sein, daß es sich um Bahnanlagen
handelt.
Schließlich ist nicht erforderlich — obwohl das eine sehr wichtige
Frage für die richtige Einschätzung und differenzierte Ahndung der
Ordnungswidrigkeit ist —, daß im Ergebnis des unbefugten Be-
tretens der Bahnanlagen eine konkrete Gefährdungssituation oder
tatsächliche Störung eingetreten sein muß.
Andererseits zeigen die Erfahrungen der Praxis, daß unbefugtes
Betreten der Bahnanlagen nicht selten Gefahren und Störungen im
Betriebs- und Verkehrsablauf der DR, besonders aber auch Ge-
fahren für das Leben und die Gesundheit der betreffenden Person
selbst, zur Folge hat. Die Verhütung und Bekämpfung derartiger
Rechtsverletzungen ist deshalb eine bedeutungsvolle Aufgabe.
Zur Gewährleistung der Ordnung und Sicherheit obliegt es in
erster Linie den Eisenbahnern, insbesondere den Aufsichten,
Zugbegleitpersonalen, Leitern der Dienststellen selbst, dafür zu
sorgen, daß die Bahnanlagen nicht durch Unbefugte betreten
werden. Entsprechend § 7 Abs. 1 und Abs. 2 OWVO sind nicht nur
die Angehörigen der Deutschen Volkspolizei (Transportpolizei),
sondern auch die hierzu ermächtigten Mitarbeiter der DR befugt,
eine Verwarnung mit Ordnungsgeld auszusprechen. Der Schutz-
polizist und ABV (T) sollten darauf hinwirken, daß diese Ermäch-
tigung durch die betreffenden Eisenbahner auch entsprechend
wahrgenommen wird.
Stellen Transportpolizisten fest, daß Bahnanlagen von Unbefug-
ten betreten werden, so haben sie unverzüglich einzuschreiten. In
der Praxis wird sich dies auf jene Fälle beschränken, in denen zur
Ahndung von Ordnungswidrigkeiten ermächtigte Eisenbahner
nicht gegenwärtig bzw. aus dringenden Gründen daran gehindert
sind, selbst für Ordnung und Sicherheit zu sorgen, wenn die
Transportpolizei um Unterstützung zur Durchsetzung der Forde-
rungen ersucht wird oder wenn das Einschreiten der Transport-
polizisten entsprechend der konkreten Situation von vornherein
geeigneter und erzieherisch wirksamer ist. Dabei kommt es vor
allem darauf an, den Rechtsverletzern die möglichen Gefahren und
weiteren Folgen ihres Verhaltens überzeugend darzulegen.
Soweit im konkreten Falle notwendig und gerechtfertigt, kann
durch den Schutzpolizisten oder ABV (T) bei unbefugtem Betreten
von Bahnanlagen auf der Grundlage des § 78 BO in Verbindung mit
§ 7 OWVO eine Verwarnung mit Ordnungsgeld ausgesprochen oder
die Einleitung eines Ordnungsstrafverfahrens vorgeschlagen wer-
den.
Verhalten an Eisenbahnübergängen gemäß § 79 BO
Die zunehmende Verkehrsdichte auf den Straßen, die dichtere
Zugfolge und die höheren Fahrgeschwindigkeiten stellen erhöhte
Anforderungen an die Verkehrssicherheit an den Eisenbahnüber-
gängen.
Die Rechtsvorschriften (StVO und BO) legen für das Benutzen von
Eisenbahnübergängen (Anlage 3) verbindliche Verhaltensregeln
fest, die konsequent von jedem Beteiligten einzuhalten sind. Durch
§ 79 Abs. 1 BO wird zunächst bestimmt, daß die Eisenbahn nur an
den dazu bestimmten Stellen (Übergängen) überquert werden darf.
In den weiteren Absätzen wird geregelt, unter welchen Vorausset-
zungen und Verhaltensanforderungen das Überqueren zu erfolgen
hat. Die im § 79 BO festgelegten Verhaltensregeln sind jedoch mit
Ausnahme der Absätze 4 und 6 auch im § 20 StVO enthalten.
Obgleich die StVO den § 79 BO nicht ausdrücklich außer Kraft setzt,
kann dennoch davon ausgegangen werden, daß die StVO als neue
Rechtsvorschrift die entsprechenden Bestimmungen des § 79
Abs. 1 bis 3 und 5 BO gegenstandslos macht. Diese Folgerungist auch
deshalb notwendig, weil der § 79 BO den Bedingungen und Sicher-
heitsanforderungen der modernen Verkehrsprozesse nicht mehr
gerecht und zum anderen der § 20 StVO in Übereinstimmung mit
den herangereiften gesellschaftlichen Erfordernissen neugefaßt
wurde.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ergibt sich, daß
der § 7 OWVO in der Regel nur dann die gesetzliche Grundlage für
die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten an Eisenbahnübergängen
bildet, wenn Verstöße gegen § 79 Abs. 4 und 6 BO vorliegen.
Das ist z. B. der Fall, wenn
-- Schranken durch unbefugte Personen eigenmächtig geöffnet
werden,
— beim Überqueren von Bahnübergängen durch Pflüge, Eggen und
andere Geräte sowie Baumstämme und andere schwere Gegen-
stände die Bahnanlagen beschädigt werden.
In allen anderen Fällen ist die ordnungsrechtliche Verantwort-
lichkeit auf der Grundlage des § 20 StVO in Verbindung mit § 47
StVO zu prüfen und zu begründen (s. auch Anlage 3).
Die Ahndung von Verstößen gegen die StVO ist in erster Linie
Aufgabe der Verkehrspolizei bzw. der Schutzpolizei und ABV der
VPKÄ.
Deshalb ist bei Verstößen gegen die Bestimmungen des § 20 StVO,
soweit es die Schwere der begangenen Rechtsverletzung erfordert,
eine Mitteilung über Ordnungswidrigkeiten (S 15) an the zuständige
Verkehrspolizei zu geben.
Bei geringfügigen Verstößen ist auch der Schutzpolizist der
Transportpolizei sowie der ABV (T) berechtigt, im vereinfachten
Verfahren Verwarnungen mit Ordnungsgeld gegenüber Straßen-
verkehrsteilnehmern auf der Grundlage des § 20 StV0 in Verbin-
dung mit § 47 StVO auszusprechen. Das wird u. a. dann angebracht
sein, wenn Angehörige der VPKÄ nicht anwesend sind.
An die zuständige Verkehrspolizei sollten über verursachte
Ordnungswidrigkeiten durch Straßenverkehrsteilnehmer an Eisen-
bahnübergängen nicht zu jedem Einzelfall gesonderte Informatio-
nen erfolgen, sondern über sich abzeichnende Schwerpunkte be-
richtet werden.
Derartige Informationen tragen dazu bei,
— Schwerpunktorte und -zeiten derartiger Rechtsverletzungen ci
sowie Ursachen und Bedingungen konkreter herauszuarbeiten,
— zu prüfen, ob der Rechtsverletzer ggf. bereits wiederholt in
Erscheinung getreten und gegen ihn weitere erzieherische Maß-
nahmen (z. B. Eintrag in die Fahrerlaubnis) einzuleiten sind,
— schwerpunktmäßige Kontrollen durch die Verkehrspolizei an-
zuregen.
Bahnbeschädigungen und Betriebsstörungen gemäß § 80 BO
Nach § 80 BO ist es verboten, die Bahnanlagen, Betriebseinrichtun-
gen oder Fahrzeuge der DR zu beschädigen oder zu verunreinigen,
Gegenstände auf die Fahrbahn zu legen oder sonstige Fahrhinder-
nisse anzubringen, Weichen umzustellen, falschen Alarm zu er-
regen, Signale nachzuahmen oder andere betriebsstörende oder
betriebsgefährdende Handlungen vorzunehmen (Anlage 4).
Der Bereich derartiger Rechtsverletzungen ist relativ breit und
umfaßt z. B. das Beschädigen von Einrichtungen der Warteräume
oder von Ausrüstungsstücken der Waggons (Zerstechen von Sitz-
polstern, Abreißen von Fensterriemen und Aschenbechern, Ab-
brechen von Fenstertischen, Einfriedungsstellen und Schildern,
Beschmieren bzw. Beschmutzen von Wänden sowie das Einschlagen
von Fensterscheiben, Spiegeln usw.). Diese Ordnungswidrigkeiten
müssen gegen Bahnanlagen, Betriebseinrichtungen oder Fahrzeuge
der DR gerichtet sein und — entsprechend dem Anliegen des § 7
OWVO — die Ordnung und Sicherheit im Eisenbahnverkehr
beeinträchtigen.
Hierzu ein Beispiel:
Durch einen Bürger, der leicht angetrunken war und sich mit dem
Personenzug auf dem Heimweg befand, wurde eine Fensterscheibe
des Abteils eingeschlagen, weil er (nach eigenen Angaben) über die
wiederholten Aufforderungen des Zugschaffners, neben der Fahr-
karte auch seinen Antrag auf Arbeiterrückfahrkarte zur Kontrolle
vorzuzeigen, verärgert war und sich beim Skatspielen gestört fühlte.
Die Ahndung dieser Ordnungswidrigkeit ist hier auf der Grund-
lage des § 80 BO in Verbindung mit § 7 OWVO gerechtfertigt.
Bei derartigen Beschädigungshandlungen ist darüber hinaus stets
§ 16 OWG zu beachten, der darauf orientiert, neben der Anwendung
notwendiger Ordnungsstrafmaßnahmen auf die freiwillige Wieder-
gutmachung des angerichteten Schadens hinzuwirken. Im Bereich
der DR stützt sich die Pflicht zur Wiedergutmachung des Schadens
auch auf § 20 Abs. 3 EVO (Rechtsverletzer muß Instandsetzungs-
kosten tragen).
Sofern die Transportpolizei sich mit der Sache befaßte, ist daher
in jedem Falle die DR zur Geltendmachung eines Schadensersatz-
anspruchs (Reinigungs- bzw. Instandsetzungskosten) zu verstän-
digen.
Als eine Verunreinigung gilt insbesondere das Beschmieren und
Wegwerfen von Sachen, wodurch die Sauberkeit und Ordnung auf
dem Gelände der DR beeinträchtigt wird.67
Bei der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten dieser Art (Be-
schädigungen und Verunreinigungen) ist der § 4 Abs. 1 OWVO zu
beachten, und zwar die Alternative:
„Das sozialistische Zusammenleben der Bürger in der Öffentlich-
keit wird vorsätzlich gestört, indem der Bevölkerung dienende oder
öffentlich zugängliche Sachen oder Einrichtungen geringfügig
beschädigt, beschmiert oder verunstaltet oder solche Sachen, soweit
sie von geringem Wert sind, zerstört oder unbrauchbar gemacht
werden."
Deshalb ist bei Ordnungswidrigkeiten, bei denen die Beschädi-
gung oder Verunreinigung gewissermaßen nur Mittel zum Zweck
war, um vorsätzlich die öffentliche Ordnung und Sicherheit z'u
stören, wo die begangene Handlung deutlich rowdyhafte Züge
aufweisen, die ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit nicht nach
§ 80 BO in Verbindung mit § 7 OWVO, sondern nach § 4 OWVO zu
begründen.
Beispiel:
Drei junge Bürger befanden sich mit der Eisenbahn gegen 22.00
Uhr auf dem Heimweg. Anfangs lärmten alle drei im Wagen herum
und belästigten die Reisenden. Als der letzte Reisende auf einem der
Unterwegsbahnhöfe ausgestiegen war, rissen sie einen Aschen-
becher ab, bohrten mehrere Löcher in die Polsterung eines Sitzes,
beschmierten eine Wand und zerschlugen den Toilettenspiegel, bis
sie von einer Streife der Transportpolizei bemerkt und gestellt
wurden. Nach vorausgegangener Prüfung strafrechtlicher Ver-
antwortlichkeit wurden die Rechtsverletzer mit einer Ordnungs-
strafe nach § 4 Abs. 1 OWVO belegt und zusätzlich die Heranziehung
zur gemeinnützigen Arbeit ausgesprochen.
Dem gegenüber ist das Anliegen des § 7 OWVO (wie bereits
dargelegt) vor allem auf den Schutz der Ordnung und Sicherheit im
Eisenbahnverkehr ausgerichtet. Handlungen, die den Tatbestand
des § 80 BO in Verbindung mit dem § 7 OWVO erfüllen, sind u. a.:
Es werden Gegenstände auf die Fahrbahn gelegt oder sonstige
Fahrhindernisse angebracht, Weichen umgestellt, falscher Alarm
ausgelöst oder Signale nachgeahmt.
Diese Alternative unterscheidet sich von der ersten vor allem
dadurch, daß sie Rechtsverletzungen erfaßt, die unmittelbar Ge-
fährdungen und Störungen im Eisenbahnverkehr hervorrufen
können."
Der Begriff Fahrbahn umfaßt alle Gleisanlagen der DR, auf denen
Zug- oder Rangierfahrten stattfinden bzw. andere Fahrzeuge (auch
fahrbare Kräne usw.) bewegt werden. Hinsichtlich der auf die
Fahrbahn gelegten Gegenstände oder angebrachten sonstigen
Fahrhindernisse handelt es sich nur um solche, die objektiv nicht
geeignet sind, den Tatbestand der strafrechtlichen Hindernisberei-
tung gemäß § 198 Abs. 1 StGB zu erfüllen; das heißt, sie dürfen nicht
geeignet sein, eine Gemeingefahr (§ 192 StGB) hervorzurufen.
Derartige Ordnungswidrigkeiten bestehen häufig darin, daß z. B.
Schottersteine, Stöcke oder andere kleine Gegenstände auf die
Schienen gelegt werden.
Beim Umstellen von Weichen durch unbefugte Personen ist z. B.
zu beachten, ob dieses auf selten benutzten und weniger bedeutungs-
vollen Gleisanlagen erfolgte, ohne dadurch eine konkrete Gefahr
herbeizuführen oder eine Weiche in Erwartung einer Zugfahrt
unberechtigt umgestellt wurde. Im letztgenannten Fall ist in der
Regel keine ordnungsrechtliche, sondern eine strafrechtliche Ver-
antwortlichkeit gegeben.
Jede Beschädigung oder mißbräuchliche Benutzung bzw. Nach-
ahmung von Signal- oder Alarmanlagen gefährdet die Ordnung und
Sicherheit und wird — sofern nicht wegen besonderer Erheblichkeit
oder dadurch verursachter Folgen eine strafrechtliche Verantwort-
lichkeit eintritt — als Ordnungswidrigkeit verfolgt. Die Signalnach-
ahmung kann sowohl in akustischer als auch optischer Hinsicht
erfolgen, z. B. Nachahmung der Abfahrtsignale an Reisezügen usw.
Falscher Alarm wird erregt, wenn beispielsweise Alarmanlagen
— zu anderen als ihrem eigentlichen Zweck benutzt werden oder
— zu ihrem eigentlichen Zweck benutzt werden, ohne daß dafür ein
ausreichender (berechtigter) Grund vorliegt.
Das betrifft auch jene Fälle, wo in Reisezügen unbegründet die
Notbremse gezogen wird.
Wenn z. B. eine Person — um sich gegenüber anderen hervorzutun
oder um während der Fahrt vom Zug abzuspringen — die Not-
bremse zieht, sind gegebenenfalls nachdrückliche Ordnungsstraf-
maßnahmen gem. § 80 BO i. V. mit § 7 OWVO angebracht.
Es werden andere betriebsstörende oder betriebsgefährdende
Handlungen begangen.
Diese Alternative trifft z. B. auch zu für das Bewerfen von Zügen
mit Steinen, eigenmächtiges Lösen bzw. Anziehen von Hand-
bremsen, Wegnehmen von Hemmschuhen u. a. m.
Verhaften der Reisenden gemäß § 81 BO
Durch § 81 BO wird das Verhalten der Reisenden bei Fahrtantritt,
während der Fahrt und bei Fahrtende geregelt und damit im hohen
Maße zur Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit im Eisen-
bahnverkehr beigetragen (Anlage 5).
Der § 81 BO lautet:
Das Verhalten der Reisenden
(1) Die Reisenden dürfen nur an den dazu bestimmten Stellen und
nur an der dazu bestimmten Seite der Fahrzeuge ein- und ausstei-
gen.
(2) Solange ein Fahrzeug sich in Bewegung befindet, ist das
Öffnen seiner Türen, das Ein- und Aussteigen, der Versuch oder die
Hilfeleistung dazu, das Betreten der Trittbretter und Plattformen,
soweit der Aufenthalt hier nicht ausdrücklich gestattet ist, verboten.
(3) Es ist untersagt, Gegenstände aus dem Wagen zu werfen, durch
die ein Mensch verletzt oder eine Sache beschädigt werden könnte.
Im Reiseverkehr ist das Ein- oder Aussteigen grundsätzlich nur
auf Bahnhöfen, Haltepunkten und sonstigen Haltestellen und
innerhalb dieser Bereiche nur auf den Bahnsteigen gestattet. Das
Aus- und Einsteigen an der dem Bahnsteig abgewandten Seite der
Fahrzeuge ist fast ausnahmslos mit einem unbefugten Betreten der
Bahnanlagen verbunden. Derartige Handlungen können in beson-
derem Maße zu Gefährdungen oder Störungen führen und müssen
daher auch mit ordnungsrechtlichen Mitteln unterbunden werden.
Besondere Gefahren bis hin zu schwerwiegenden Folgen können
insbesondere durch das vorzeitige Öffnen von Türen sowie durch
das Auf- oder Abspringen von Zügen verursacht werden.
Beispiel:
Während der Einfahrt eines Personenzuges wird durch eine im
Zug befindliche Person die Wagentür vorzeitig geöffnet. Noch vor
dem Halt des Zuges springt diese ab und gefährdet dadurch auf dem
Bahnsteig stehende Reisende.
Vorausgegangene Belehrungen blieben von dem Betreffenden
unbeachtet.
Die Ahndung dieser Ordnungswidrigkeit auf der Grundlage des
§ 81 BO in Verbindung mit § 7 OWVO ist hier zweifellos gerecht-
fertigt.
Versucht ein Reisender, einen in Bewegung befindlichen Zug zu
besteigen oder zu verlassen, so darf er nur durch Zuruf, nicht aber
gewaltsam gehindert werden, weil dadurch erst recht Unfallgefah-
ren hervorgerufen werden.
Auf offenen Plattformen dürfen sich Reisende nur dann auf-
halten, wenn die Plattform durch Schutzgitter abgeschlossen ist.
Gitter an der Plattform von Personenwagen sind darüber hinaus als
Türen im Sinne von § 81 Abs. 2 BO anzusehen und dürfen daher
nicht vorzeitig geöffnet werden.
Es ist untersagt, Gegenstände aus dem Wagen zu werfen, durch
die ein Mensch verletzt oder eine Sache beschädigt werden kann.69
Gegenstände, die oft aus Eisenbahnfahrzeugen hinausgeworfen
werden, sind z. B. leere Bier- und Alkoholflaschen. Bei der Art der
anzuwendenden Ordnungsstrafmaßnahme (vgl. § 7 Abs. 1 Ziff. 1
und Abs. 2 OWVO) ist hier u. a. bedeutsam, an welchen Orten—freie
Strecke, Baustellenbereich an der Strecke, Bahnhof, Eisenbahn-
übergänge, unmittelbar an der Strecke entlangführende öffentliche
Wege oder Straßen — welche Gegenstände hinausgeworfen wurden.
4.4.2. Zur Bedeutung der Eisenbahnverkehrsordnung (EVO)
für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten
Die EVO legt u. a. Pflichten und Verhaltensregeln für Reisende u. a.
Personen im Beförderungsprozeß der Eisenbahn fest. Sie präzisiert
diesbezüglich einige Bestimmungen der BO.
Im § 7 Abs. 1 EVO wird ausdrücklich auf die BO Bezug genommen:
„Für das Verhalten innerhalb des Bahngebietes gelten die Vor-
schriften der §§ 77 ff. der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung."
Daraus leitet sich die praktische Konsequenz ab, als rechtliche
Grundlage für die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten ist in der
Regel nicht die EVO unmittelbar, sondern die zutreffende Rechts-
norm der BO in Verbindung mit § 7 OWVO heranzuziehen.
Dennoch ist für den Schutzpolizisten und ABV (T) die Kenntnis
der wichtigsten mit den §§ 77-81 BO in Zusammenhang stehenden
Bestimmungen der EVO bedeutsam.
Das betrifft vor allem die §§ 20 „Verhalten während der Fahrt,
Verunreinigung und Beschädigung von Eisenbahneigentum" und 21
„Mitnahme von Handgepäck und Traglasten".
Beispiele:
Ein Reisender verläßt bei einem Betriebsaufenthalt außerhalb
eines Bahnhofs ohne Zustimmung des Zugschaffners den Zug und
betritt die Bahnanlagen (Verstoß nach § 20 Abs. 2 EVO, gleichzeitig
aber auch nach § 78 der BO).
Ein Reisender verunreinigt bzw. beschädigt im betrunkenen
Zustand Einrichtungen des Zuges (Verstoß nach § 20 Abs. 3 EVO
und § 80 BO).
Ein Reisender befördert in einem Personenwagen des Zuges von
der Mitnahme ausgeschlossene gefährliche Gegenstände, wie ex-
plosionsfähige oder leicht entzündbare Stoffe. (Verstoß nach § 21
Abs. 6 EVO und § 80 BO — u. a. betriebsgefährdende oder betriebs-
störende Handlungen).
In all diesen Fällen ist eine Ahndung auf der Grundlage der BO
in Verbindung mit § 7 OWVO rechtlich möglich und zulässig. Es sei
jedoch in diesem Zusammenhang eindeutig gesagt:
Für die Durchsetzung der Bestimmungen der EVO, die vor-
wiegend innerbetrieblichen Charakter tragen, sind in erster Linie
die dazu befugten und ermächtigten Eisenbahner selbst verantwort-
lich.
Die Bestimmungen der EVO enthalten zu diesem Zweck zum Teil
auch Sanktionen, z. B.
— der Reisende hat die Reinigungskosten bzw. die Instandsetzungs-
kosten zu erstatten;
— der Reisende kann von der Weiterfahrt ausgeschlossen werden;
— der Reisende hat bei Verstoß gegen das Rauchverbot 2M zu
zahlen,
die durch die dazu befugten Eisenbahner unter unmittelbarer
Bezugnahme auf die EVO zur Anwendung gebracht werden können.
Dabei sei darauf hingewiesen, daß diese Maßnahmen keine Ord-
nungsstrafmaßnahmen sind.
Die Erfahrungen zeigen, daß bei Zuwiderhandlungen gegen die
EVO, die in dieser Bestimmung enthaltenen Sanktionen in der Regel
ausreichend sind, um den erzieherischen Erfolg herbeizuführen.
Folglich ist die zusätzliche Anwendung von Ordnungsstrafmaß-
nahmen auf Ausnahmefälle zu beschränken.
Weiterhin ist zu beachten, daß nur ganz bestimmte gegen die EVO
verstoßende Verhaltensweisen als Ordnungswidrigkeiten geahndet
werden können.
Solche Verstöße wie das Rauchen im Nichtraucherabteil (§ 18
EVO), der eigenmächtige unberechtigte Übergang in die höhere
Wagenklasse (§ 14 EVO), das Fahren ohne gültigen Fahrausweis
(§ 15 EVO) und eine Reihe anderer Zuwiderhandlungen gegen die
Beförderungsbestimmungen sind keine Ordnungswidrigkeiten im
Sinne des OWG. Sich daraus ergebende Konsequenzen sind zivil-
rechtlicher Art zwischen der DR und dem Reisenden. Sie liegen
deshalb auch ausschließlich im Zuständigkeitsbereich der DR.
4.4.3. Einige Hinweise zur Anwendung des § 77 BO
in Verbindung mit § 7 OWVO und zur Anwendung
von Ordnungsstrafmaßnahmen gegenüber Eisenbahnern
Aus den Bestimmungen der §§ 77 BO und 7 Abs. 1 EVO in
Verbindung mit § 7 Abs. 1 Ziff„ 2 OWVO ergibt sich für jedermann
die Pflicht, den dienstlichen Anordnungen der Eisenbahner Folge
zu leisten.
Im Eisenbahnverkehr gibt es Situationen, in denen die Eisen-
bahner aus ihrer Verantwortung für die Aufrechterhaltung bzw.
schnelle Wiederherstellung der Ordnung und Sicherheit heraus an
eine bestimmte Personengruppe oder einzelne Bürger dienstliche
Anordnungen erteilen müssen. Das bezieht sich besonders auf die
Vorbeugung und Abwehr von unmittelbaren Gefahren oder auf die
Eindämmung und Beseitigung von Störungen, die die Sicherheit im
Eisenbahnverkehr bedrohen oder in anderer Weise die Ordnung
und Sicherheit auf dem Gelände der DR beeinträchtigen. Derartige
dienstliche Anordnungen bestehen in der Regel in mündlichen
Weisungen, aber auch in situationsbezogenen Festlegungen und
Aufforderungen.
Sachlich geht es bei dienstlichen Anordnungen insbesondere um
— Maßnahmen, die zur Verhinderung unmittelbar bevorstehender
Gefahren oder zur Beseitigung eingetretener Störungen im
Eisenbahnverkehr unumgänglich sind und besonders situations-
bezogene Verhaltensanforderungen bedingen;
— Forderungen an Reisende und andere Bürger, die im Zus ammen-
hang mit unvorhergesehenen Konfliktsituationen erhoben wer-
den müssen, wie z. B. Räumung eines besetzten Abteils für einen
unterwegs plötzlich ernsthaft erkrankten Bürger;
— Veränderungen bzw. Einschränkungen hinsichtlich des üblichen
Ablaufs der Personenbewegung im Zusammenhang mit Sonder-
zugfahrten u. a. m.
Wer gegen solche dienstlichen Anordnungen verstößt, kann ggf.
auf der Grundlage des § 77 BO in Verbindung mit § 7 Abs. 1 OWVO
zur Verantwortung gezogen werden.
Wird durch Reisende den berechtigten Forderungen der hierzu
befugten Eisenbahner nicht Folge geleistet, hat der Schutzpolizist
oder ABV (T) zur Durchsetzung des ordnungsgemäßen Zustands
Hilfe und Unterstützung zu geben.
Gemäß § 7 Abs. 1 OWVO begeht eine Ordnungswidrigkeit auch,
wer den zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im
Eisenbahnwesen erlassenen gesetzlichen Bestimmungen oder den
auf ihrer Grundlage ergangenen Vorschriften der Eisenbahn zu-
widerhandelt.
Die Heranziehung derartiger Vorschriften zur Begründung einer
Ordnungswidrigkeit setzt voraus, daß
— in der betreffenden Vorschrift ausdrücklich und eindeutig auf
die BO, die EVO oder unmittelbar auf den § 7 der OWVO bezug
genommen wird,
— es sich um eine allgemein verbindliche Vorschrift und nicht um
eine rein innerdienstliche DV der Eisenbahn handelt.
Wenn auch derartige Bestimmungen seit Inkrafttreten der OWVO
bisher durch die DR nicht erlassen wurden, so ist dennoch denkbar
und für die Praxis perspektivisch bedeutsam, daß dies entsprechend
den gesellschaftlichen Erfordernissen künftig ggf. erfolgen kann.
Ordnungswidrigkeiten nach § 7 OWVO, die von Eisenbahnern
begangen werden, sollten in der Regel den zuständigen Leitern der
Dienststellen der DR mitgeteilt werden zwecks Einleitung von
Disziplinarmaßnahmen.
Die Leiter der Dienststellen der DR sind u. a. gemäß § 18 Abs. 3 der
Eisenbahner-Verordnung verpflichtet, diesen Forderungen nach-
zukommen. Dort heißt es: „Beantragt der Staatsanwalt oder ein
anderes dazu befugtes Organ die Einleitung eines erzieherischen
Verfahrens vor der Konfliktkommission oder eines Disziplinar-
verfahrens, ist diesem Antrag zu entsprechen."
Die Übergabe einer Sache an die Konfliktkommission der Dienst-
stelle des betreffenden Eisenbahners (vgl. § 32 OWG) sollte dann
erfolgen, wenn insbesondere aus der Art und Schwere der Ord-
nungswidrigkeit sowie dem Verhalten des Eisenbahners die kollek-
tive erzieherische Einwirkung geboten erscheint.
Begehen Eisenbahner Ordnungswidrigkeiten nach § 7 OWVO
außerhalb ihrer dienstlichen Tätigkeit, ist aus der jeweiligen
Situation heraus bei Beachtung der Gesamtumstände zu entschei-
den, welche Maßnahmen am geeignetsten sind. (Ahndung durch den
Transportpolizisten, Abgabe an den Dienstvorgesetzten oder an die
Konfliktkommission.)
Zu von Eisenbahnern in der Öffentlichkeit begangenen Ord-
nungswidrigkeiten z. B. nach § 4 Abs. 1 oder 14 OWVO kann
gegebenenfalls auch neben dem Ausspruch einer Ordnungsstrafe
zur Erhöhung der erzieherischen Wirkung eine Information an den
Dienststellenleiter der DR zweckmäßig sein.
Eindeutig ist dabei zu unterscheiden:
Es ist gesetzlich nicht gerechtfertigt, Verstöße von Eisenbahnern
gegen innerbetriebliche Vorschriften der DR als Ordnungswidrig-
keiten im Sinne des § 7 OWVO zu ahnden. Derartige Verstöße stellen
keine Zuwiderhandlung gegen die „zur Gewährleistung von Si-
cherheit und Ordnung im Eisenbahnwesen erlassenen gesetzlichen
Bestimmungen oder den auf ihrer Grundlage ergangenen Vor-
schriften" gemäß § 7 Abs. 1 OWVO dar. Hierbei handelt es sich
vielmehr um schuldhafte Verletzung von Arbeitspflichten gemäß
AGB und der Eisenbahner-Verordnung. Die Ahndung obliegt hier
dem zuständigen Disziplinarvorgesetzten der DR.
4.4.4. Zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 4 OWVO
Die Ahndungspraxis der letzten Jahre in den Dienststellen der
Transportpolizei zeigt, daß neben solchen Schwerpunkten, wie
Verstöße gegen die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung der DR
In Verbindung mit § 7 OWVO, die Straßenverkehrsordnung § 20
StVO in Verbindung mit § 47 StVO, auch Verstöße gegen den § 4
OWVO recht häufig in Erscheinung treten.
Dabei wird deutlich, daß es sich im wesentlichen um Rechtsver-
letzungen handelt, die im vereinfachten Verfahren durch Verwar-
nungen mit Ordnungsgeld geahndet werden. Charakteristisch für
diese Ordnungswidrigkeiten ist — das trifft auch für die auf dem
Gelände der DR begangenen zu — daß sie zu einem erheblichen Teil
unter Einfluß von Alkohol begangen werden.
Eine wichtige Seite zu ihrer Vorbeugung und Verhinderung liegt
deshalb auch im wirksamen Kampf gegen den Alkoholmißbrauch.
Nach § 4 Abs. 1 kann zur Verantwortung gezogen werden:
„Wer vorsätzlich das sozialistische Zusammenleben der Bürger in
der öffentlichkeit stört, indem er auf Straßen, Wegen oder Plätzen,
in öffentlichen Anlagen, Gebäuden, Einrichtungen oder Verkehrs-
mitteln ruhestörenden Lärm verursacht oder Bürger anderweitig
ungebührlich belästigt, der Bevölkerung dienende oder öffentlich
zugängliche Sachen oder Einrichtungen geringfügig beschädigt,
beschmiert oder verunstaltet, solche Sachen, soweit sie von gerin-
gem Wert sind, zerstört oder unbrauchbar macht oder ähnliche die
öffentliche Ordnung störende Handlungen begeht."
Daraus ergibt sich zunächst, daß eine der hier beschriebenen
Handlungen gewissermaßen nur Mittel zum Zweck ist — an anderer
Stelle bereits beispielhaft erläutert — um vorsätzlich das sozialisti-
sche Zusammenleben der Bürger zu stören.
Aus dem § 4 OWVO ist des weiteren abzuleiten, daß seine An-
wendung auf den öffentlichen Bereich des Eisenbahngeländes zu
beschränken ist.
Das sind demnach jene Bereiche, wie Bahnhofsvorhallen, Bahn-
steige, Züge des Reiseverkehrs (öffentliche Verkehrsmittel), MIT-
ROPA-Gaststätten, Abfertigungsstellen der Deutschen Post u. a. m.
Ruhestörender Lärm
Darunter ist nicht jedes Lärmen schlechthin zu verstehen. Die Art
des Lärmens (Johlen, Randalieren, lautes Absingen von Liedern,
Sprechchöre in Gruppen, überlautes Abspielen von Musik), die
örtliche und zeitliche Situation sind bei der Beurteilung des
Verhaltens des Rechtsverletzers zum Maßstab zu nehmen, ob ein die
Ruhe störender Lärm vorliegt oder nicht. Dabei kommt es nicht
darauf an, ob der einzelne den Lärm als störend oder nicht störend
empfindet.
Beispiel:
Eine Gruppe Jugendlicher verursacht nach einem Fußballspiel
auf dem Bahnhof durch Absingen von Liedern einen solchen Lärm,
daß andere Bürger Lautsprecherdurchsagen zum Zugverkehr nicht
verstehen können und ihren Unwillen über das Verhalten der
Jugendlichen zum Ausdruck bringen.
Eine männliche Person spielt in der Vorhalle eines Bahnhofs oder
im Zug mit übermäßiger Lautstärke Musik aus dem Kofferradio ab.
Der Schutzpolizist bzw. ABV (T) handelt richtig, wenn er zunächst
die Personen in höflicher, aber bestimmter Form zu ordnungs-
gemäßem Verhalten auffordert.
In der Regel werden Ordnungsstrafmaßnahmen, wenn dieser
Aufforderung Folge geleistet wird, nicht notwendig sein.
Hat der Rechtsverletzer hingegen z. B. mit seinem Kofferradio
zum wiederholten Male ruhestörenden Lärm verursacht, obwohl
bereits ordnungsrechtliche u. a. Erziehungsmaßnahmen bei ihm
angewandt wurden, kann nach Prüfung der Voraussetzungen eine
Ahndung auf der Grundlage des § 4 OWVO erfolgen.
Ist es zur Durchsetzung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit
unumgänglich, kann neben geeigneten Ordnungsstrafmaßnahmen
entsprechend § 13 VP-Gesetz das Kofferradio zeitweilig in Ver-
wahrung genommen werden.
Ungebührliche Belästigung von Bürgern
Die zweite Alternative des § 4 Abs. 1 OWVO erfaßt alle weiteren
Belästigungen, soweit sie als ungebührlich anzusehen sind."
Während beim ruhestörenden Lärm die — unter Berücksichtigung
der konkreten Situation sowie bestimmter örtlicher und zeitlicher
Bedingungen — zu fordernde Ruhe einer unbestimmten Anzahl von
Personen durch vorsätzliches Lärmen gestört wird, müssen bei der
„ungebührlichen Belästigung" einzelne oder mehrere Bürger in der
Öffentlichkeit vorsätzlich von dem Rechtsverletzer ungebührlich
belästigt und dadurch das sozialistische Zusammenleben gestört
worden sein.
Für eine solche Wertung des Tatbestands müssen die in der
sozialistischen Gesellschaft geltenden Regeln des Anstands und des
Verhaltens anderen Bürgern gegenüber zugrunde gelegt werden.
Die Reaktion des Betroffenen auf die Belästigung spielt zwar eine
Rolle, ist jedoch nicht der alleinige Maßstab. So kann mitunter
übertrieben empfindlich, aber auch unvertretbar tolerant reagiert
werden. Das ist bei der Prüfung des Sachverhalts zu berücksichti-
gen.
Ungebührliche Belästigungen treten hauptsächlich als An-
pöbeleien, Anrempeleien (ohne die Schwere einer Straftat oder
Verfehlung zu erreichen, worauf im weiteren noch eingegangen
wird), aber auch durch Versperren des Weges, durch Bewerfen mit
Schnee, Bespritzen mit Wasser usw. in Erscheinung.
Beispiel:
Ein junger Mann belästigt eine Frau, indem er sie mehrmals
anrempelt.
Hier liegt eine ungebührliche Belästigung im Sinne des § 4 Abs. 1
OWVO vor. Die Anrempelei stellt eine Beeinträchtigung des so-
zialistischen Zusammenlebens dar. Welche Maßnahmen der Trans-
portpolizist in diesem Fall anwendet, wird von der Intensität der
Belästigung abhängen.
Ein weiteres Beispiel:
Ein älteres Ehepaar geht durch die Bahnhofsvorhalle und wird
durch mehrere Personen vorsätzlich und in ungebührlicher Weise
aufgehalten.
Auch in diesem Falle liegt eine „anderweitige ungebührliche
Belästigung" vor, gegen die einzuschreiten ist.
Bei der anzuwendenden Erziehungsmaßnahme wie Belehrung,
Verwarnung mit Ordnungsgeld u. a. Ordnungsstrafmaßnahmen ist
insbesondere von der Art und Weise sowie der Intensität der
belästigenden Handlung auszugehen.
Bei Belästigungen, die durch Anpöbeleien, Handgreiflichkeiten
oder ehrverletzende Schimpfworte begangen werden, ist u. a. die
Verletzung des Tatbestands der Beleidigung nach § 137 StGB (in der
Regel als Verfehlung nach § 139 Abs. 1 StGB zu verfolgen), ge-
gebenenfalls auch der des § 215 Abs. 1 StGB (Rowdytum, grobe
Belästigung gegenüber Personen) zu prüfen.
Beschädigung und Zerstörung von Sachen und Einrichtungen
Nach der dritten Alternative des § 4 Abs. 1 OWVO begeht derjenige
eine Ordnungswidrigkeit, der das sozialistische Zusammenleben in
der Öffentlichkeit stört, indem er auf Straßen, Wegen oder Plätzen,
in öffentlichen Anlagen, Gebäuden, Einrichtungen oder Verkehrs-
mitteln öffentlich zugängliche Sachen oder Einrichtungen gering-
fügig beschädigt, beschmiert oder verunstaltet, solche Sachen,
soweit sie von geringem Wert sind, zerstört oder unbrauchbar
macht.
Die Merkmale der Geringfügigkeit und Geringwertigkeit grenzen
diese Rechtsverletzungen von Straftaten ab und orientieren auf
solche Fälle, bei denen ein geringer Schaden entstanden ist. Am
häufigsten werden die Schäden — vorwiegend von jungen Rechts-
verletzern — aus Leichtsinn, ungezügeltem Tatendrang, aus Ober-
flächlichkeit und Gleichgültigkeit, mitunter auch aus rücksichts-
loser Mißachtung der öffentlichen Einrichtungen, angerichtet.
In diesem Zusammenhang ist es notwendig, auf einige Abgren-
zungsprobleme innerhalb des Ordnungswidrigkeitsrechts hin-
zuweisen. Nicht alle der Bevölkerung dienenden Sachen oder
Einrichtungen werden vom § 4 Abs. 1 OWVO erfaßt. Deshalb ist
immer die Gesetzesspezialität zu beachten. Das heißt, wenn eine
Beschädigung oder geringfügige Zerstörung vorliegt, durch die eine
spezielle Rechtsbestimmung verletzt wird, so ist diese anzuwenden
und nicht der § 4 Abs. 1 OWVO.
Durch folgende Aufstellung soll das veranschaulicht werden:
Sachverhalt verletzte Rechtsbestimmung
— Beschädigung öffentlicher Be- § 2 OWVO
kanntmachungen
— Beschädigung von Anlagen, Verordnung über die Verhütung
Einrichtungen oder Geräten des und Bekämpfung von Katastro-
Katastrophenschutzes phen vom 13. Januar 1971 (GB1.II
S.117) § 13 Abs. 1
— Beschädigung oder Entfernung Brandschutzgesetz vom 19. 12.74
von Einrichtungen oder Gerä- (GB1.I S.575 § 20 — Ordnungs-
ten, die der Bekämpfung, Ver- strafbestimmungen
hütung und Untersuchung von
Bränden dienen
— Zerstörung, Beschädigung oder Gesetz über das Post- und Fern-
Unbrauchbarmachung von meldewesen vom 3. April 1959
Post- und Fernmeldeanlagen (GB1. I S.365)
Bei Rechtsverletzungen dieser Art ist auch — abhängig von der
Schwere einer begangenen Handlung — die mögliche Verwirkli-
chung eines Straftatbestands nach § 163 StGB (Vorsätzliche Be-
schädigung sozialistischen Eigentums) oder nach § 183 StGB (Vor-
sätzliche Sachbeschädigung von persönlichem oder privatem Ei-
gentum) in Betracht zu ziehen.
Ähnliche die öffentliche Ordnung störende Handlungen
Durch die vierte Alternative des § 4 Abs. 1 OWVO werden Rechts-
verletzungen erfaßt, die• ebenfalls Störungen des sozialistischen
Zusammenlebens in der Öffentlichkeit darstellen. Sie ist nur dann
anzuwenden, wenn die Prüfung ergibt, daß keine der bereits
behandelten Alternativen in Betracht kommt und mit dem Fehl-
verhalten des Bürgers keine andere, spezielle Rechtsnorm verletzt
wurde. Auf keinen Fall darf die Alternative „ähnliche die öffentliche
Ordnung störende Handlungen" wegen mangelnder Gesetzeskennt-
nis als „Notbehelf" angewandt werden. Solche Handlungen können
auf Bahnhöfen z. B. sein, das Umwerfen oder Auskippen von Papier-
bzw. Müllbehältnissen, Umwerfen von Sitzbänken u. a. m.
In der Praxis zeigt sich, daß bei begangenen Rechtsverletzungen
oftmals mehrere der im § 4 Abs. 1 OWVO genannten Alternativen
zugleich verletzt werden.
Besonders unter Einfluß von Alkohol beginnt das z. B. auf einem
Bahnhof mit ruhestörendem Lärm durch Randalieren, gleichzeiti-
gem ungebührlichem Belästigen von Reisenden und gipfelt mitunter
im Beschädigen oder Zerstören von Einrichtungen oder Gegen-
ständen auf dem Bahnhof.
Der Schutzpolizist sollte durch die Präsenz seines Auftretens, die
Beobachtung der Personenbewegung, insbesondere gegenüber
bestimmten Personen oder Personengruppen, deren Verhalten
nicht den Regeln sozialistischen Zusammenlebens der Bürger in der
Öffentlichkeit entspricht, vor allem darauf hinwirken, Ordnungs-
widrigkeiten dieser Art zu verhindern.
4.4.5. Zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach § 14 OWVO
Der Tatbestand des § 14 ist vor allem darauf gerichtet, Ordnungs-
strafmaßnahmen anzuwenden gegen Personen, die
in der Öffentlichkeit im betrunkenen Zustand im erheblichen
Maße den Anstand oder die menschliche Würde verletzen oder
andere Störungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit
verursachen (vgl. § 14 Abs. 1);
— vorsätzlich oder fahrlässig in Ausübung eines Berufs oder
Gewerbes an betrunkene Personen Alkohol ausschenken oder
verkaufen bzw. Alkohol an Personen ausschenken, bei denen
erkennbar ist, daß sie ein Fahrzeug führen (vgl. § 14 Abs. 2).
Das gesellschaftliche Anliegen besteht insbesondere in der konse-
quenten Bekämpfung des Alkoholmißbraüchs und der Ausräu-
mung seiner Ursachen und Bedingungen. Dabei ist stets davon
auszugehen, daß durch die mittels des Ordnungswidrigkeitsrechts
erzielte Wirksamkeit wesentliche Voraussetzungen geschaffen
werden zur Vorbeugung und Verhinderung von Straftaten.
Entsprechend § 14 OWVO sind als Ordnungsstrafmaßnahmen nur
ein Verweis oder eine Ordnungsstrafe von 10,— bis 300,—M (also
keine Verwarnung mit Ordnungsgeld in Höhe von 1,—, 3,—, 5,—oder
10,—Mark) zulässig.
Diese Maßnahmen sind jedoch nur dann anzuwenden, wenn der
Rechtsverletzer in der Öffentlichkeit im betrunkenen Zustand
in erheblichem Maße den Anstand oder die menschliche Würde
verletzt oder andere Störungen der öffentlichen Ordnung und
Sicherheit verursacht.
Der betrunkene Zustand einer Person braucht noch keine Voll-
trunkenheit im Sinne der Zurechnungsunfähigkeit zu sein, muß
aber deutlich den Zustand des Angetrunkenseins übersteigen und
sichtbar machen, daß die betreffende Person wegen ihres betrun-
kenen Zustands nicht mehr in der Lage ist, ihr Verhalten zu
kontrollieren und sich nach den Regeln eines pflichtgemäßen und
anständigen Verhaltens zu richten.
Da die alkoholische Beeinträchtigung die Steuerungs- und Ver-
haltensfunktionen beeinflussen, treten unter Alkohol stehende
Personen der Volkspolizei in recht unterschiedlicher Weise ent-
gegen.
Der Schutzpolizist muß also aus dem Verhalten und äußeren
Erscheinungsbild einer Person den hier geforderten Grad der
Trunkenheit einschätzen. Das Angetrunkensein bzw. ein sogenann-
ter leichter Schwips, reichen nicht. Ordnungsrechtliche Verant-
wortlichkeit ist nur dann zu begründen, wenn diese betrunkene
Person in erheblichem Maße Anstand und Würde (z. B. durch das
Führen obszöner Redensarten, Verhaltensweisen, die unseren
moralischen und ethischen Vorstellungen in starkem Maße wider-
sprechen und abstoßend wirken u. a. m.) verletzt bzw. die öffentliche
Ordnung und Sicherheit hierdurch stört. Gegen Personen, die sich
trotz eines vorhandenen Trunkenheitszustandes in der Öffentlich-
keit ruhig und friedlich verhalten, sind in der Regel Ordnungsstraf-
maßnahmen unzulässig.
Der Schutzpolizist oder ABV (T) hat demnach bei der Sachverhalts-
darstellung konkret den engen Zusammenhang (Kausalität) her-
auszuarbeiten zwischen dem Grad des betrunkenen Zustandes einer
Person und die Art und Weise seines Verhaltens in der Öffentlich-
keit.
Unter Beachtung der in den §§ 13 und 14 des OWG genannten
Grundsätze ist zu prüfen, weshalb die Person sich aus welchem
Anlaß und unter welchen Umständen und vor allem wo betrunken
hat, handelt es sich im konkreten Fall um eine einmalige Entgleisung
oder ist sie bereits wiederholt in ähnlicher Weise angefallen, wie ist
seine Persönlichkeit (Arbeits- und Freizeitbereich) und sonstiges
Verhalten einzuschätzen.
Erst dann ist über die Art der anzuwendenden Ordnungsstraf-
maßnahme (Verweis oder Ordnungsstrafe) und im Falle einer
Ordnungsstrafe über ihre Höhe zu entscheiden.
Ursachen für Ordnungswidrigkeiten nach § 14 Abs. 1 OWVO
liegen vielfach im leichtfertigen oder verantwortungslosen Ver-
halten des im § 14 Abs. 2 genannten Personenkreises begründet.
Die Aufmerksamkeit des Schutzpolizisten und des ABV (T) ist
deshalb besonders darauf zu richten, daß die Bedienungskräfte in
den Einrichtungen der MITROPA an Betrunkene weder Alkohol
ausschenken, noch verkaufen (z. B. Verkauf einer Flasche Wein-
brand an eine äußerlich erkennbar betrunkene Person am Kiosk
eines Bahnhofs).
Ordnungsstrafmaßnahmen gegenüber diesen Personen sollten in
der Regel dann angewandt werden, wenn vorausgegangene erziehe-
rische Hinweise oder Ermahnungen nicht beachtet wurden, im
Einzelfall oder wiederholt verantwortungslos gegen § 14 Abs. 2
OWVO verstoßen wurde und nur mit einer in gebührender Weise
angemessenen Ordnungsstrafe disziplinierend auf den Rechtsver-
letzer eingewirkt werden kann.
Anstelle einer Ordnungsstrafe können aber auch Disziplinar- bzw.
Erziehungsmaßnahmen durch den Leiter der MITROPA oder die
Konfliktkommission in Betracht gezogen werden, wenn dadurch
gegenüber dem Rechtsverletzer und gegebenenfalls bestimmten
Kollektiven eine höhere erzieherische Wirksamkeit erreicht werden
kann.
Strengere Maßstäbe bei der Anwendung von Ordnungsstraf-
maßnahmen nach § 14 OWVO sind vor allem dann anzulegen, wenn
Alkohol an betrunkene Jugendliche verkauft oder ausgeschenkt
wird.71
Hinsichtlich der Abgrenzung zum § 7 OWVO sollte beachtet
werden, daß immer dann, wenn eine betrunkene Person durch ihr
Verhalten gleichzeitig die Ordnung und Sicherheit im Eisenbahn-
verkehr gefährdet, nicht der § 14, sondern der § 7 OWVO als die
speziellere Rechtsnorm anzuwenden ist.
Beispiele:
— Die betrunkene Person hält sich im Gleis auf, der Lokführer eines
Zuges muß die Schnellbremsung einleiten oder
— eine betrunkene Person springt auf einen anfahrenden Zug und
gefährdet auf dem Bahnsteig befindliche Reisende u. a. m.
Bei der Abgrenzung zwischen §§ 4(1) und 14(1) OWVO — zumal ein
nicht unwesentlicher Teil Ordnungswidrigkeiten nach § 4 (1) auch
unter Alkoholeinfluß begangen werden — sollte von folgendem
ausgegangen werden:
Dem § 14(1) OWVO ist in der Regel als der spezielleren Rechtsnorni
gegenüber dem § 4 (1) OWVO und auch anderen ordnungsrecht-
lichen Bestimmungen der Vorrang zu geben, wenn z. B. Personen im
betrunkenen Zustand in der Öffentlichkeit (beachte, daß sie zum Bei-
spiel nachts auf einer einsamen Dorfstraße oder einem Eisenbahn-
haltepunkt nicht immer gegeben ist) in unzumutbarer Weise die
allgemeingültigen Regeln des Anstandes oder die menschliche
Würde mißachten bzw. Störungen verursachen (obszöne Redens-
arten, Erbrechen im Zugabteil oder an Orten mit Personenverkehr,
Zurschaustellen bestimmter Körperteile u. a.).
4.4.6. Zur Durchsetzung der Verordnung
zum Schutz der Kinder und Jugendlichen
Da im Abschnitt Reiseverkehr zu den Verhaltensweisen des Schutz-
polizisten im Streifendienst in Durchsetzung der genannten VO
Ausführungen gemacht wurden, soll hier nur auf einige zu be-
achtende Gesichtspunkte bei der Anwendung von Ordnungsstraf-
maßnahmen eingegangen werden.
Dem Schutzbedürfnis der Kinder und Jugendlichen wird vor
allem durch die Ordnungsstrafbestimmungen des § 14 der o. g.
Verordnung Rechnung getragen.
§ 14 der VO zum Schutz der Kinder und Jugendlichen legt fest:
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig als Erwachsener
1. nach § 4 Abs. 1 Schund- und Schmutzerzeugnisse herstellt, ein-
führt oder verbreitet,
nach § 4 Abs. 2 jugendgefährdende Erzeugnisse herstellt, kopiert,
vervielfältigt oder auf andere Weise wiedergibt oder verbreitet,
nach § 4 diese nicht abnimmt und vernichtet,
nach § 4 Abs. 5 und § 5 diese nicht abnimmt oder die
nach § 5 vorgeschriebenen Kontrollen nicht durchführt,
2. entgegen § 7 Abs. 1 Ziff. 1 an Kinder und Jugendliche unter 16
Jahren alkoholische Getränke und Tabakwaren verabreicht,
verkauft oder in sonstiger Weise abgibt oder an Kinder Zünd-
mittel verkauft,72
3. entgegen den Beschränkungen des § 7 Abs. 1, Ziff. 2 an Jugend-
liche im Alter von 16 bis 18 Jahren Getränke mit einem
Alkoholgehalt über 20 Prozent verkauft oder ausschenkt oder sie
zum übermäßigen Alkoholgenuß verleitet,
4. den Bestimmungen der §§ 9 und 10 zuwiderhandelt,
kann mit Verweis oder Ordnungsstrafe von 10 bis 300 M belegt
werden.
(2) Wer vorsätzlich als Jugendlicher im Alter von über 16 Jahren
eine Zuwiderhandlung nach § 4 begeht, kann mit Verweis oder
Ordnungsstrafe von 10 bis 100 M belegt werden, wenn die Art und
Weise der Rechtsverletzung oder das bisherige Verhalten des
Jugendlichen ihre Anwendung erfordern, um eine geeignete
erzieherische Einwirkung zu erzielen und der Jugendliche eigenes
Arbeitseinkommen hat.
(3) Die Durchführung des Ordnungsstrafverfahrens obliegt den
Bürgermeistern der Städte und Gemeinden sowie den für das
jeweilige Sachgebiet zuständigen hauptamtlichen Mitgliedern der
Räte der Kreise, kreisfreien Städte, Stadtbezirke und Gemeinden.
(4) Wird von Angehörigen der Deutschen Volkspolizei eine Ord-
nungswidrigkeit festgestellt, sind die Leiter der Dienststellen der
Deutschen Volkspolizei zur Durchführung des Ordnungsstrafver-
fahrens berechtigt.
(5) Bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten gemäß Absätzen 1
und 2 sind die dazu ermächtigten Mitarbeiter der jeweils zuständi-
gen örtlichen Räte sowie die dazu ermächtigten Angehörigen der
Deutschen Volkspolizei befugt, Verwarnungen mit Ordnungsgeld in
Höhe von 1, 3, 5 oder 10 M auszusprechen.
(6) Für die Durchführung des Ordnungsstrafverfahrens und den
Ausspruch von Ordnungsstrafmaßnahmen gilt das Gesetz vom
12. Januar 1968 zur Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten —
OWG — (GB!. I S.101).
Der Schutzpolizist bzw. der ABV (T) wird auf der Grundlage des
§ 14 der VO in der Regel nur tätig, wenn er Verstöße gegen die VO
feststellt oder ihm solche mitgeteilt werden.
Stellt er z. B. bei Jugendlichen fest, daß sie im Besitz von Schund-
und Schmutzerzeugnissen sind, hat er sie zunächst gem. § 6 der VO
entschädigungslos einzuziehen.
Zur Feststellung der Art und Schwere der Rechtsverletzung sowie
zur differenzierten Anwendung von Ordnungsstrafmaßnahmen
muß er darüber hinaus prüfen,
— wie die Erzeugnisse in den Besitz des betreffenden Jugendlichen
gelangten, ob und auf welche Weise sie evtl. verbreitet wurden,
welchen Umfang die Verbreitung bereits angenommen hat,
— ob das Vorhandensein dieser Erzeugnisse dem Erziehungs-
berechtigten, Lehrern oder Lehrausbildern bekannt war und
weshalb sie dem Jugendlichen nicht abgenommen wurden,
— wurden die Schund- und Schmutzerzeugnisse evtl. in der Schule,
Berufsausbildungsstätte, im Internat oder Heim verbreitet und
gab es bezüglich des Besitzers der Erzeugnisse durch Leiter
veranlaßte Kontrollen.
Die Klärung dieser und anderer Fragen ist notwendig, um zu
entscheiden, ob zur Gewährleistung einer hohen erzieherischen
Wirksamkeit Ordnungsstrafmaßnahmen durch die DVP oder durch
die im § 14 Abs. 3 der VO genannten Organe zweckmäßiger sind.
Zu beachten ist hierbei, daß als Ausnahmeregelung Jugendliche
im Alter von über 16 Jahren bei vorsätzlichen Zuwiderhandlungen
gem. § 4 der VO (Herstellen, Einführen oder Verbreiten von
Schund- und Schmutzerzeugnissen usw.) mit Verweis oder Ord-
nungsstrafe von 10 bis 100 M zur Verantwortung gezogen werden
können (vgl. § 14 Abs. 2 der VO).
Zur sozialistischen Entwicklung der jungen Generation gehört
ihre Gesunderhaltung. Deshalb sind von ihnen Alkohol und
Nikotin fernzuhalten.
Die Festlegungen im § 7 der Verordnung zum Schutz der Kinder
und Jugendlichen wenden sich deshalb vornehmlich an die Er-
wachsenen und hierbei insbesondere an die Erziehungsberechtig-
ten, Lehrer, Erzieher und Lehrausbilder, die Leiter und die Inhaber
sowie das Bedienungspersonal von Gaststätten und an das Ver-
kaufspersonal im Handel, und verpflichtet sie, die festgelegten
Beschränkungen einzuhalten (§ 7 Abs. 1 der VO).
Daneben wendet sich die Verordnung auch an die Jugendlichen
und Kinder selbst, appelliert an ihr Verantwortungsbewußtsein,
diese zu ihrem Schutz erlassenen Bestimmungen von sich aus
einzuhalten und nicht durch Täuschung des Bedienungs- oder
Verkaufspersonals sich alkoholische Getränke oder Tabakwaren zu
verschaffen oder andere Kinder und Jugendliche zum Genuß
solcher Mittel zu verleiten (vgl. § 7 Abs. 3 der VO).
Die in der Verordnung enthaltenen Beschränkungen umfassen die
Festlegung, daß
— an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren keine alkoholischen
Getränke und Tabakwaren verabreicht, verkauft oder in son-
stiger Weise abgegeben werden dürfen (§ 7 Abs. 1 Ziff. 1) und
— an Jugendliche im Alter von 16 bis 18 Jahren nur Getränke mit
einem Alkoholgehalt bis zu 20 Prozent in geringen Mengen
verkauft, verabreicht oder in sonstiger Weise abgegeben werden
dürfen (§ 7 Abs. 1 Ziff. 2).
Diese Differenzierung in den Altersgruppen entspricht den An-
forderungen in unserer Gesellschaft. Beide Festlegungen sind
jedoch dem Grundsatz untergeordnet, daß Jugendliche nicht zum
Alkoholgenuß verleitet werden dürfen.
Die Verabreichung von alkoholischen Getränken ist das Aus-
schenken in Gaststätten, aber auch im Familienkreis, in der
Gesellschaft von Arbeitskollegen usw.
Die Bestimmungen über die Einschränkung der Abgabe von
Alkohol an Jugendliche ordnet sich in die gesamten Aufgaben der
Erziehung ein. Die Vorbildhaltung in der Familie, im Kollegenkreis,
in der Schule und auf der Arbeitsstelle sind Voraussetzungen zur
Einhaltung der Beschränkungen. Dort, wo jedoch überkommene
Trinksitten bestehen, wie z. B. Aufforderungen von erwachsenen
Kollegen an jugendliche Lehrlinge zum „Einstand geben", werden
die Maßstäbe für Alkohol und Nikotin bei den Jugendlichen sehr
schnell verschoben.
Der erzieherische Einfluß der Erwachsenen ist somit eine wich-
tige Voraussetzung, daß Jugendliche und Kinder die Beschränkun-
gen einhalten.
Stellt z. B. der Schutzpolizist oder ABV (T) in der MITROPA-
Gaststätte des Bahnhofs Erwachsene und Jugendliche fest, die
gemeinsam größere Mengen Alkohol zu sich nehmen, so hat er
einzuschreiten. Das Ausgeben von Alkohol an die Jugendlichen ist
durch eine Forderung (§ 11 Abs. 1 VP-Gesetz zur Durchsetzung der
sich aus § 7 Abs. 1 der Verordnung zum Schutz der Kinder und
Jugendlichen ergebenden Rechtspflichten) zu unterbinden. Des
weiteren sind die Personalien der Erwachsenen und Jugendlichen
sowie des Gastwirts bzw. des Kellners oder der Serviererin auf-
zunehmen. Weiterhin ist festzustellen, ob die Jugendlichen zum
Alkoholgenuß verleitet wurden, wieviel Alkohol an sie ausgegeben
wurde und wer ihn ausgeschenkt hat.
Das gleiche trifft zu, wenn der Schutzpolizist auf einem Bahnhof,
einer Güterabfertigung oder in einer anderen Dienststelle der
Eisenbahn bemerkt, daß dort eine sogenannte „Einstandsfeier"
eines 16jährigen Lehrlings stattfindet und größere Mengen Alkohol
getrunken werden.
Da an Jugendliche von 16 bis 18 Jahren alkoholische Getränke nur
in geringen Mengen mit einem Alkoholgehalt bis 20 Prozent
abgegeben werden dürfen, wäre hier zunächst festzustellen, in
welchem Umfang durch den Jugendlichen Alkohol getrunken
wurde und wer ihn dazu verleitet hat.
Ordnungsstrafmaßnahmen gemäß § 14 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 der VO
sollten in der Regel dann angewandt werden, wenn vorsätzliche
Zuwiderhandlungen (was stets nachzuweisen ist) begangen werden.
Bei der Differenzierung der Ordnungsstrafmaßnahmen (Verwar-
nung mit Ordnungsgeld, Verweis oder Höhe einer Geldstrafe) sollte
bei der Prüfung u. a. beachtet werden:
— Art und Schwere der vorliegenden Ordnungswidrigkeit;
— Ausmaß der eingetretenen Folgen bzw. Wirkungen;
— Umstände und Bedingungen, die das Fehlverhalten begünstig-
ten;
— Einsicht des Rechtsverletzers zu seinem evtl. einmalig begange-
nen Fehlverhalten;
— demonstrative Mißachtung der an ihn gestellten und ihm auch
bekannten Verhaltensanforderung;
— Wirkungslosigkeit bereits mehrfach angewandter Erziehungs-
maßnahmen.
Quellenangaben:
Inhaltsverzeichnis und Anlagen:
Literaturqellen-verzeichnis: